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Die jüngsten Nevolutionsstürme.
Juni
1850.
dem auch durch die Verfügung zu lähmen, daß alle Artikel, die politische, reli-
giöse und philosophische Betrachtungen enthielten, mit der Namensunterschrift ihres
Verfassers versehen sein müßten. Die Wahrnehmung, daß besonders der Lehcer-
stand den socialistischen Bestrebungen Vorschub leistete, hatte schon früher die Na-
tionalversammlung bewogen, ein neues Unterrichtsgesetz zu entwerfen, wo-
durch das Aufsichtsrecht über das Schul- und Unterrichlswesen zwischen der Re-
gierung und der Geistlichkeit getheilt und der Universität die oberste Leitung ent-
zogen wurde. Bei den aufgeregten Verhandlungen über dieses Gesetz sah man
Thiers, den Vorkämpfer des Liberalismus, mit M on tale mb ert, dem Wort-
führer der Ultramontanen, Hand in Hand gehen. Wo es sich um Erhaltung der
gesellschaftlichen Ordnung handelte, verschwanden die untergeordneten Parteifra-
gen. Von Geldmangel und Schulden gedrückt mußte der Präsident bei der Na-
tionalversammlung um Erhöhung seines Gehaltes einkommen. Diese bewilligte
ihm aber nur eine Zulage auf Ein Jahr und vergrößerte dadurch die schon lange
zwischen den beiden Gewalten bestehende Spaltung und Rivalität. Das sichtbare
Streben des Präsidenten nach einer die republikanischen Schranken überschreiten-
den Macht füllte die Nationalversammlung mit Argwohn und trieb sie zur Oppo-
sition. Da sie aber in Beschränkung der Volksrechte und der republikanischen Frei-
heit immer weiter ging und zugleich über dynastischen Parteibestrebungen und
kleinlichen Intriguen in Coterien zerfiel, so verlor sie das Zutrauen und die Achtung
der Nation. Die Abneigung und Gleichgültigkeit des Volks gegen die Versamm-
lung kam dem Präsidenten zu Statten. Er war bemüht, sich auf alle Weise der
Armee zu versichern und dasobercommando, nach Beseitigung des selbständigen,
der Nationalversammlung ergebenen General Changar nier, in zuverlässige Hände
zu bringen; er suchte die Präfecturstellen und andere einflußreiche Aemter mit er-
gebenen Männern zu besetzen; auf seinen zahlreichen Reisen im Innern des Landes
wußte er sich die Gunst der städtischen Behörden zu gewinnen und durch Freigebig-
keit und Gnadenakte erwarb er sich die Zuneigung der unteren Volksklasse. Dabei
ließ er keine Gelegenheit Vorbeigehen, sich als den Beförderer und Beschützer der
nationalen Wohlfahrt und der Volksrechte hinzustellen, die Gebrechen seiner Re-
gierung dem hemmenden Widerstand der Versammlung Schuld zu geben und die
schlummernden Sympathien des Volkes für die Napoleonische Kaiserzeit zu wecken.
Durch solche Mittel bahnte er sich den Weg zur Alleinherrschaft. Die Weigerung
der gespaltenen und zerrissenen Nationalversammlung, durch die beantragte Ver-
fassungsreform seine Wiedererwählung im I. 1852 möglich zu machen, be-
schleunigte die Ausführung des lange gehegten Planes. Entschlossen, die errun-
gene Gewalt nicht wieder aus den Händen zu lassen, und wäre damit auch eine
Verletzung seines auf die Verfassung geschworenen Eides verbunden, wagte er es
das Verfahren seines Oheims, am 18. Brümaire 1799 (§. 738.) nachzuahmen,
indem er sich am 2. Dezember, dem Tage der Kaiserkrönung und der Austerlitz-
schlacht, mittelst eines Staatsstreiches der Versammlung entledigte und mit Hülfe
des ihm ergebenen Heeres die Herrschaft eigenmächtig an sich riß und die parla-
mentarische Opposition niederwarf. Die einflußreichsten Parlamentsglieder, darun-
ter die Generale Changarnier, Lamoriciere, Cavaignac, Bedeau, der tapfere Oberst
Charras, die Staatsmänner Thiers, Düvergier de Hauranne, der Dichter Victor
Hugo, die Republikaner Lagrange, Raspailu.a. wurden in der Nacht vom 1. aus
den 2. Dezember verhaftet und nach vorübergehender Gefangenschaft größtentheils
aus dem Reiche verbannt, einige aus immer, andere auf unbestimmte Zeit. Dieser
Gewaltstreich gegen dievertreter der Nation führte in Paris, Lyon und mehreren
Städten des innern Landes neue Aufstände und Barrikadenkämpfe herbei, indem
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Extrahierte Personennamen: Thiers Changar Cavaignac Staatsmänner_Thiers Victor
Hugo Lagrange
50
Das Zeitalter der Reformation.
1529.
1526.
tz. 473. Der Abendmahlsstreit. Dieses letztere verwickelte Zwingli in
einen verhängnisvollen Streit mit Luther, der zwar auch die scholastische
Transsubstantiationslehre verwarf, dessen mystischer Tiefsinn aber eine
leibliche Gegenwart Christi bei der heiligen Handlung nicht entbehren konnte.
Luther wollte die Erklärung der Einsetzungsworte „das ist mein Leib" durch „das
bedeutet meinen Leib," wie sie Zwingli und sein Anhänger Oekolampadius
(Hausschein) von Basel auffaßten, nicht gelten lassen. Umsonst suchte Philipp
von Hessen die gefährliche Spaltung auszugleichen; die Disputation von
Marburg führte keine Annäherung herbei. Luther sah in seines Gegners Be-
hauptung eine Verleugnung Christi und stieß die Bruderhand zurück, die Zwingli
mit Thränen darreichte. Darum traten auch die oberdeutschen Städte (§. 470.),
die sich zu Zwingli's Ansicht neigten, der Augsburger Confession nicht
bei; da aber bei der drohenden Haltung des Kaisers und der katholischen Stände
die Trennung beiden Theilen verderblich werden mußte, so vermittelte der fried-
liebende, fügsame Butz er (Bucer) von Straßburg endlich einen Vergleich,
worauf sich die zwinglischen Städte der Augsburger Confession und dem schmal-
kaldischen Bund anschlossen.
tz. 474. Spaltung in der Schweiz. In der Schweiz hielt man an
Zwingli's Lehren fest. Zuerst wurden die kirchlichen Zustände Zürichs vollstän-
dig reformirt; bald folgte Basel, wo der gelehrte, sanfteoekolampadius, Eras-
mus' Freund, für die neue Lehre wirkte, und Bern, wo Hallers Predigten
und Manuels Fastnachtsspiele den Klerus um alles Ansehen brachten. Zugleich
wurden strenge Maßregeln gegen Laster und Unsittlichkeit ergriffen, das Reis-
laufen beschränkt und die Iahrgelder gekündigt. Dies letztere erzeugte bei den
Aristokratenfamilien, die aus den Verträgen mit den fremden Mächten Vortheil
zogen, Abneigung gegen die kirchliche Reform, die ihre Wurzeln in den Zünften
und im Volk hatte. Jene verbanden sich daher mit den Prälaten zur Erhaltung
des alten Zustandes und führten dadurch eine ähnliche Spaltung in der Eidge-
nossenschaft herbei, wie sie in Deutschland bestand. Wo die neue Lehre siegte,
wurde die Regierung gewöhnlich in demokratischem Sinne geändert. Umsonst
hofften die Altgläubigen durch den redeferligen Dr. E ck der Reformation Einhalt
thun zu können; die Disputation von Baden, wo Oekolampadius Meß-
opfer, Heiligendienst, Bilder und Fegefeuer bekämpfte, beförderte die Neuerung.
App en zel l (Außer-Rhoden) drohte den Geistlichen, die lehren würden, was
sich nicht aus der Schrift erweisen ließe, mit dem Verlust ihrer Bezüge; in St.
Gallen entfloh der Abt, als er die Volksstimmung erkannte; in Glarus
hatten die Reformirenden die Mehrheit; in Schaffhausen siegte nach langem
Kampfe das Neue; in Graubündten wurde Jedem die freie Wahl seines
Glaubens gelassen, als aber der Abt von St. Luzi Verrath spann zur Bewälti-
gung der Reformirten in Chur, wurde er enthauptet. In Solothurn kämpf-
ten noch die Parteien, aber im Thurgau und im Rheinthal erlangte die
Neuerung die Oberhand durch den Einfluß der Berner und Züricher.
tz. 475. Der Religionskrieg der Eidgenossen. In den vier
Waldstätten (Schwyz, Uri, Unterwalden, Lucern) und in Zug fand die
neue Lehre entschiedenen Widerstand, theils weil hier die von Zwingli so ei-
frig bekämpften Jahrgelder und Kriegsdienste einen Hauptnahrungszweig
bildeten (vertraute doch der Statthalter Christi selbst die Sicherheit seiner
Perlon und seines Palastes der helvetischen Garde!), theils weil der Einfluß
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Extrahierte Personennamen: Zwingli Philipp
von_Hessen Philipp Butz Straßburg Oekolampadius_Meß- Luzi Zwingli Christi
Extrahierte Ortsnamen: Christi Basel Marburg Christi Schweiz Basel Bern Deutschland Baden Glarus Schaffhausen Chur Solothurn Thurgau Schwyz Unterwalden Lucern
56
Geschichte der alten Welt.
Die noch heut zu Tage als Wunder der Baukunst angestaunten Pyramiden (an der
von Cheops erbauten sollen 100,000 Menschen 40 Jahre lang gearbeitet haben), aus
Quadersteinen erbaute Werke, die sich auf meist quadrater Grundlage zu einer Spitze oder
kleinen Fläche erheben, im Innern fast ausgefüllt, nur von wenigen engen Gängen und
Räumen durchbrochen, scheinen trotz vieler anderen Vermuthungen Grabdenkmale der
Könige gewesen zu sein. Das angeblich vom König Möris angelegte, aus mehreren hun-
dert unterirdischen und überirdischen Kammern, Höfen, Vorhallen und Gängen bestehende
und mit einem steinernen Dach überdeckte Labyrinth war, wie erwähnt, ein großartiger
Reichspalast, der allen Landschaften und Kreisen bei feierlichen Opferhandlungen als ge-
meinsamer Mittelpunkt diente. Vor dem Palast, dessen Trümmer noch sichtbar sind, stand
eine Pyramide. — Die Obelisken waren Theile der großen, aus Säulenreihen, thurm-
artigen Pylonen, Hallen u. dgl. bestehenden und mit Sculpturen, Sphinxen und Bild-
werken aller Art versehenen Tempelbauten, welche hieroglyphische, über die Erbauung Aus-
kunft gebende Inschriften trugen und wovon mehrere von den Römern nach Rom gebracht
wurden, wo sie noch heut zu Tage ausgestellt sind. Auch in Paris befindet sich ein Obelisk
(von Luxor). In der S culp tur förderten die Aegypter nicht minder exstaunenswürdige
Werke zu Tage als in der Architektur, wenn gleich der religiöse Charakter der ägypti-
schen Kunst die Künstler zwang, die stehend oder sitzend gebildeten Statuen in steifer Hal-
tung und ernster, feierlicher Ruhe zu halten und ihnen dadurch Leben und Bewegung zu
rauben; die technische Fertigkeit der ägyptischen Künstler, die aus dem härtesten Gestein,
aus Porphyr und Granit, wunderbare Werke zu schaffen verstanden und besonders in den
kolossalen Sphinxen, den Symbolen der höchsten leiblichen und geistigen Kraft,
ihre große Uebung beurkundeten, ist höchst wunderbar, aber der eigentliche Kunstzwcck,
„die sinnliche Erscheinung durch Schönheit zu erheben und zu veredeln," blieb ihnen fremd.
Die Bildwerke in erhab en er Arbeit (Reliefs) und die durch Frische und Lebendigkeit
der Farben ausgezeichneten Malereien, die sich an Tempelmauern, Mumienkammern,
Sarkophagen, Denkmälern u. dgl. bcsinden, enthalten die mannichsachsten Darstellungen
des häuslichen und öffentlichen Lebens. Die Architektur galt indessen für die Haupt-
kunst , der die Bildhauerei und Malerei dienen mußten. Auch Musik, Tanz und
Dichtkunst fanden einige Pflege. — Die Hieroglyphen, in deren Entzifferung durch
den französischen Gelehrten Champ o lli o n und durch den deutschen Archäologen und
Sprachforscher Lepsius glückliche Versuche gemacht wurden, stellen entweder die Gegen-
stände, die sie ausdrücken wollen, wirklich im Bilde dar, oder sie bezeichnen, was sich nicht
wirklich darstellen läßt, durch ein entsprechendes symbolisches Zeichen (z. B. Löwe für Groß-
muth oder Stärke) oder auch durch phonetischelautzeichen, wobei man Gegen-
stände abbildete, deren erste Laute die zu bezeichnenden Buchstaben waren (z. B. Berg
oder Buch für B). Die hieratisch e Schrift war eine nur den Priestern bekannte abge-
kürzte Bilderschrift, die d emo tische dagegen eine einfache, für den gewöhnlichen Ge-
brauch eingeführte Buchstabenschrift. — In Wissenschaft und Literatur haben die
Aegypter nichts Bleibendes zu Tage gefördert; Gefühl und schöpferische Phantasie, die
zur Poesie führen, waren bei ihnen nicht so vorherrschend als-Verstand und List; dagegen
waren sie sehr erfahren in der Gew erbthätigkeit, im Ackerbau und in der Gartcn-
cultur. In der Bearbeitung des Holzes, des Thones, der Steine und Metalle übertrasen
sie die meisten Völker; sie verstanden die Glas- und Lederbereitung und benutzten
die Erzeugnisse ihres Landes, besonders die Papyrusstaude zu mancherlei Arbeiten (zu
Papier, Stricken, Segeln u. a.); am berühmtesten waren ihre aus baumwollenen und lei-
nenen Fäden gewirkten Zeuge und Kleidungsstoffe (Gewänder von Byssus). Ihr
häusliches Leben war reich an Geräthschaften und Hausrath aller Art, und die künstlichen,
aus edlen und unedlen Metallen bearbeiteten Gefäße, Iierrathen u. dgl. beweisen, daß
ihnen der Luxus nicht fremd war. Aber aus Allem ersieht man, daß es nur eine mechanische
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169
Die griechische Welt.
verbundenen Männern geleitet — Epameinondas und Pelopidas. Mit
vereinten Kräften suchten diese ihr Vaterland zu heben. Epameinondas führte
eine neue Kriegsweise ein „die schiefe Schlachtordnung", und Pelopidas, einer
der heimgekehrten Flüchtlinge, stiftete diesogen. heilige Schaar, die, durch
das Band der innigsten Freundschaft verknüpft und für Ruhm und Freiheit
begeistert, alle Angriffe der Spartaner siegreich zurückschlug. Anfangs stan-
den die Athener (deren Hafen Peiräeus die Spartaner durch einen ähnlichen
Handstreich in ihre Gewalt zu bringen trachteten wie die Burg Kadmeia) auf
Seiten der Thebaner, und fügten durch ihre Feldherrn Iphikrates, Cha-
brias und Timotkhos, Konons Sohn, den Lakedämoniern zu Wasser
und zu Lande großen Schaden zu; ja sie brachten sogar wieder eine Anzahl
Inseln und Seestaaten, wie Chios, Rhodos, Samos, Mytilene, diesmal
jedoch mit Anerkennung ihrer Freiheit und Selbständigkeit und Stimmrecht
im Bundesrath zu einem zweiten athenäischen Bunde und erwarben
durch Chabrias' Sieg bei Naxos, wo die spartanische Flotte vernichtet
wurde, von Neuem die Seehegemonie. Als aber Theben die kleinern Städte
Bbotiens seiner Herrschaft unterwarf und das mit Athen befreundete
Platää, weil es sich nicht fügen wollte, zerstörte und die Einwohner ver-
trieb, da erwachte die alte Eifersucht wieder. Unter Persiens Vermittelung
kam zwischen Athen und Sparta ein Frieden zu Stande, und als Theben sich
weigerte, die Bedingungen desselben anzunehmen und die böotifchen Städte
frei zu geben, rückten die Lakedämonier abermals mit Heeresmacht in ihr
Land ein, erlitten aber in der Schlacht bei Lenktra durch Epameinondas
und Pelopidas eine furchtbare Niederlage, so daß seitdem ihre Macht dahin
war. Zum ersten Male siohen die Spartaner besiegt vom Schlachtfelde und
zwar in solcher Zahl, daß Agesilaos rieth, das altfpartanische Gesetz, das
alle im Kriege Geflohenen für ehrlos erklärte und des Waffenrechts beraubte,
für diesmal schlafen zu lassen. Unter den Gefallenen befand sich der
Führer des Heeres, König Kleombrotos. — Nun machten sich die griechischen
Städte von der spartanischen Vorherrschaft frei, stellten die unterdrückten
Volksregierungen wieder her und vergalten den von den Spartanern einge-
setzten Aristokraten mit Hinrichtung und Verbannung. Furchtbar wüthete
von Neuem an allen Orten und Enden der Parteieifer und forderte seine blu-
tigen Opfer, nirgends jedoch schrecklicher als in Argos zur Zeit des „Sky-
talismos," da gegen 1200 aristokratische Bürger mit „Knitteln" erschlagen
wurden. Sv zerstörte Griechenland in selbstmörderischer Raserei mit eigener
Hand seine edele Kraft, seine sittliche und leibliche Wohlfahrt.
7. Thebens Hegemonie unter Epameinondas und Pelopidas.
§> 106. Die Böotier waren weder so begabt und geistreich wie die
Athener, noch so kraftvoll, gewaltig und durchgreifend wie die Spartaner.
375.
374.
371.
370.
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Die griechische Welt.
111
und das herkömmliche Gesetz der persönlichen Schuldknechtschaft, wonach der
Gläubiger den zahlungsunfähigen Schuldner zum Sclaven machen konnte, auf-
gehoben. Die unterste Klasse sollte steuerfrei bleiben, dafür aber auch von Aem-
tern und Würden und vom regelmäßigen Kriegsdienst ausgeschlossen sein. — Die
Volksversammlung übte die gesetzgebende Gewalt und controlirte die
Staatsbeamten, insbesondere die neun Archonten, bestimmte die
Abgaben, beschloß über Krieg und Frieden u. dergl. Der jährlich gewählte
Rath von 400 Mitgliedern besorgte (durch einen Ausschuß, Prytanen ge-
nannt) die lausenden Verwaltungsgesch afte und leitete die Berathungen
der Volksversammlung, wahrend für die laufenden Gerichts Handlungen ein
Ausschuß von 6000 Geschwornen durch die Archonten (die zugleich bei den
Prozessen den Vorsitz führten) ausgewahlt wurde. Der Areiopag, dessen Mit-
glieder aus den ehrwürdigsten auf Lebenszeit gewählten Bürgern (besonders Ar-
chonten, die ihr Amt gut verwaltet hatten) bestand, übte den Blutbann bei
Mord, Brandstiftung, Giftmischerei und andern schweren Verbrechen; was ihm
aber seine Hauptbedeutung gab, war das von Solon ihm übertragene Sitten-
richteramt; er überwachte die Erziehung der Jugend und beaufsichtigte den
Lebenswandel der Bürger, damit Sittlichkeit und Zucht beobachtet, ein ehrsa-
mes, thatiges Leben geführt werde und Luxus, Kleiderpracht und Schwelgerei ver-
bannt bleibe. Von den drakonischen Bestimmungen ließ Solon nur die Satzungen
über Mord und Tödtung und das Gericht der Epheten (Appellationsgericht)
bestehen, „weil Drakon selbst hier nur uralte, durch Religion und Gewohnheit
geheiligte Rechte ausgezeichnet hatte," daher dieselben auch in der Folge unter allen
Veränderungen unangetastet fortdauerten. Auch die uralte Eintheilung des atheni-
schen Volkes in vier Phylen und zwölfphratrien, von welchen letzteren wieder
jede in dreißig Geschlechter zerfiel, behielt Solon bei. Diese Einrichtung
der Phratrien und Geschlechter trug ganz „das Gepräge verwandtschaftlicher Ver-
hältnisse." Sie hatten „die Aufsicht über Reinheit der Abstammung und Recht-
maßigkeit des angebornen Bürgerthurns." Deshalb mußtejede neuverehelichte Bür-
gerin in die Phratrie des Mannes eingeführt, jedes neugeborene Kind in die
Geschlechtsregister eingetragen werden. Nur auf diese Weise kam man in den Be-
sitz des Vollbürgerthums. Auch dienten die Phratrien und Geschlechter als Ver-
einigungspunkt des Cultus der Stammgötter.
§.71. Als Solon seine Gesetzgebung beendigt hatte, ließ er die Athener
schwören, zehn Jahre lang nichts an derselben zu andern und begab sich
dann auf Reisen nach Aegypten und Asien, wo er mit Krösos in Sardes
das vorerwähnte (§. 46.) Zwiegespräch hielt. Die durch seine demokratischen
Einrichtungen geweckte Regsamkeit hob das athenische Volk zu einer Höhe
der Bildung und einer Mannichfaltigkeit geistiger Entfaltung, von der in
dem rauhen, von einem aristokratischen Ritterstand beherrschten Sparta
keine Spur war.
9. Die Tyrannis.
§.72. Entstehung der Tyrannis. Um diese Zeit hatten die be-
vorzugten Adelsgeschlechter fast in allen griechischen Staaten das Königthum
abgeschafft und eine republikanische Aristokratenherrschaft ge-
gründet (§. 65). Diese ging aber gewöhnlich mit der Zeit in eine drückende
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Die griechische Welt
121
Urkraft) annahm, aus dem sich vermittelst Verdichtung und Verdünnung
die erscheinende Welt entwickele und gestalte, so daß, was in der Natur werde,
aus einer Veränderung diesesurstoffs zu erklären sei, und einen mechanischen,
indem man alle Dinge in einer bleibenden Urmaterie enthalten sein und sich ver-
mittelst eines Aus e inan d er-und Z usam meng e h ens bilden ließ, so daß
man „kein eigentliches Werden, keine Veränderung der Beschaffenheit annahm,
sondern Alles erklären wollte aus der Veränderung der äußern Verhältnisse im
Raum." Zu der erstem Schule gehören: Thales, der das Wasser, Anaxi-
mc n es und Dioge nes von Apollonia, welche die Luft, Herakleitos,
der das Feuer und Pherekydes, der den Aether und die Erde als Urprin-
zipe aufstellte; zu der andern gehören Demokritos, Leukippos und An apa-
go ras, die die Welt aus einer Verbindung einfacher, untheilbarer Grundbestand-
theile entstehen lasten, welche die beiden erstem als Atome, der letztere als H o-
m öo meri en bezeichnete.
a) D y n a m i sch e P h y si k er. Thales von Milet (o. 630), ein als Staatsmann,
Astronom und Weltweiser hochgeachteter Mann, den das Alterthum den sieben Weisen
beizählte, galt als Schöpfer der ionischen Philosophenschule durch den Grundsatz,
„daß die Welt sich hervorbilde aus einem unvollkommenen Saamenzustande, welcher feuch-
ter Natur oder Wasser sei." — Sein Landsmann Anapimenes (o. 540) beachtete mehr
die dem Urstoffe inwohnende Seelenthätigkeit und stellte als Grundprinzip die Luft auf,
die sich im Windszuge als selbstbewegende Kraft, im Athem als Ursache des Lebens kund
gebe. Damit stimmt im Wesentlichen Diogenes von Apollonia (o. 460) überein, der
diese Lust als schaffenden Geist dachte. Pherekydes von Syros (o. 540) setzte ein thätiges
Prinzip, den Aether, und ein leidendes, die Erde, beide verbunden durch die Zeit, in
der sich Alles bilde. Herakleitos aus Ephesos (o. 500), ein vornehmer, aristokratisch ge-
sinnter Mann, von einem düstern, zur Melancholie hinneigenden Temperamente, der auf
die Menge mit Verachtung herabsah, entwickelte in einer dunkeln Schrift ein nicht auf Er-
fahrung (Empirie), sondern aufspeculation aufgebautes System, worin er als Urstoff das
Feuer aufstellte, dabei aber lehrte, daß Alles einem ewigen Wechsel unterworfen sei, über
dem ein unwandelbares Fatum walte, daher der Mensch nach Gleichmuth streben müsse.
b) Mech a nisch e P Hy sik er. Anapimander von Milet (e. 600), Thales' Schüler
und Freund, suchte das Wesen der Welt in dem Begriff der unbestimmten Unendlichkeit,
aus dem alle Dinge durch eine ewige Bewegung hcrausgingen und wohin sie wieder zurück-
kehrten. Da man aber bei Anaximander vergeblich nach der Ursache dieser Bewegung
forschte, so stellten Leukippos und Demokritos ausabdera (o. 450), ein kenntniß-
reicher, gelehrter und durch große Reisen gebildeter Mann, einen leeren Raum, und ein-
fache, untheilbare Urkörper, die darin vermöge der Naturgesetze in ewiger Bewegung sich
befänden, als Urprinzipe auf und wurden dadurch die Schöpfer der Atomenlehre. Durch
die abwechselnde Verbindung und Ablösung dieser Atome, die von verschiedener Beschaffen-
heit gedacht wurden, und wovon die runden Feucratome die Weltseele bildeten, entstehe die
Sinnenwelt, die daher nur Schein und Trug sei; deshalb empfahl auch der lachende De-
mokrit, gleich seinem Gegenfüßler, dem weinenden Heraklit, Seelenruhe und Gleichmuth
im Wechsel. — Diese Lehre kam durch Anapagoras von Klazomenä (e. 450) nach
Athen, wo dieser kenntniß- und erfahrungsreiche Philosoph den größten Theil seines Lebens
als Perikles' Freund zubrachte, bis er von dessen Gegnern als Gottesleugner zur Flucht
nach Kleinasien gezwungen wurde. Anaxagoras änderte Demokrits Lehre dahin ab, daß er
den Atomen (Homöomerien) bestimmte Eigenschaften beilegte, und die erste Bewegung
der Urkörper nicht von ihnen selbst, sondern von einer höchsten Vernunft (Nüs) aus-
gehen ließ, welche, „obwohl von der Materie gesondert, doch in sie Leben, Bewegung und
Ordnung gebracht habe und dabei Allwissenheit, Macht und Freiheit besitze."
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Die Begründung der neuen Zustände unter Karl V. 373
bestürzten Kurfürsten, die ihn des andern Tages mit Bitten um Auf-
hebung der Haft bestürmten, hielt er seine ursprüngliche Zusage ent-
gegen, ,,daß er ihn nicht in ewiger Gefangenschaft halten wolle."
Erzürnt verließen die Betrogenen das Hoflager. Bald darauf begab
sich Karl zur Regulirung der kirchl. Verhältnisse mit seinen beiden Ge-
fangenen nach Oberdeutschland, indeß Ferdinand seinen Gegnern in
Böhmen und der Lausitz schwere Züchtigung auflegte und kaiserl.
Heerführer die niedersächsischen Städte zur Unterwerfung zu bringen
bemüht waren. Aber Bremens feste Mauern und der Heldenmuth
der evangel. Bürger Norddeutschlands setzten dem Siegeslauf des Kai-
sers einen Damm. Hier behielt die prot. Sache die Oberhand und
das geächtete Magdeburg ward der Hort des Protestantismus.
Prag und die andern Städte ergaben sich auf Gnade und Ungnade, lieferten
ihr Geschütz aus und entrichteten die geforderten Geldsummen. Ihre wichtigsten
Rechte wurden ihnen entrissen, die Schuldigsten unter dem Hcrrenstand wie unter
den Bürgern an Leib und Gut gestraft, die Königsmacht der beengenden Schranken
entkleidet und das Wahlrecht der Könige den Ständen entzogen.
d) Die Zeit des Interims.
§. 458. Das Tridentiner Concil. Das am 13. Dec. 1545
eröffnete Tridentincr Concil hielt unterdessen seine Berathungen. Obwohl
für Deutschland bestimmt, war es doch fast nur aus Itali euer» und
Spaniern zusammengesetzt. Dominicaner u. a. Ordensgeistliche bildeten
den Kern der Versammlung, die ihre Sitzungen unter der Leitung eines
päpstl. Legaten hielt und nach Köpfen stimmte. Unter diesen Umständen
mußte die Berathung eher eine feindliche als versöhnliche Richtung den
Protestanten gegenüber einnehmen. Dies zeigte sich gleich bei den ersten
Berathungen über die Bibel, wo man die bisher als authentisch aner-
kannte alte lat. Uebersetzung (Vulgata) als einzige Autorität aufstellte
und über die Tradition, der man gleiches Ansehen mit der H. Schrift
beilegte. Bei der Lehre von der Rechtfertigung ward die Wirksam-
kcit guter Werke beibehalten; dem hierarch. Priesterthnm wurde eine
göttliche Einsetzung untergelegt, die Siebenzahl der Sacramente festgehalten
u. dergl. Dieser Gang war dem Kaiser, der jetzt die längst gewünschte
Vereinigung der Confesstonen zu Stande zu bringen hoffte, höchst unan-
genehm ; er machte Vorstellungen und forderte die Geheimhaltung der Bc-
schlüffe. Aber Paul Iii., der wohl merkte, daß der Kaiser die Absicht
hege, das Papstthum zu beschränken und in der katholischen Kirche solche
Reformen einzuführen, daß die Protestanten sich zu einem Beitritt ent-
schließen könnten, ließ nicht nur die Dekrete bekannt machen, sondern er
verlegte auch das Concil nach Bologna, zog seine Truppen aus deo
Kaisers Heeren zurück und trat mit Frankreich in Verbindung. Die Min-
derzahl der Prälaten blieb, dem Befehl des Kaisers gemäß, 'in Trient und
führte dadurch eine Spaltung des Concils herbei.
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Karl Karl Ferdinand Concil
Extrahierte Ortsnamen: Oberdeutschland Norddeutschlands Magdeburg Prag Deutschland Itali Bologna Frankreich
482
Das siebenzehnte Jahrhundert.
königl. Rath überzutreten, und der nun raschen Schritts zum Statt-
halter von Irland und. zum Grafen Strafford stieg. Er war ein
harter, aber kraftvoller Mann, jetzt über alles beflissen, die Macht der
Krone zu verstärken. Er wollte Unumschränktheit, aber zum Besten
des Volks gebraucht." Darum rieth er dem König zu versuchen, ohne
Parlament zu regieren. Um die Ausgaben zu vermindern, wurde rasch
mit Spanien und Frankreich Friede geschlossen und sowohl die Sache
des Pfalzgrafen als der Huguenotten aufgegeben; und um das zu den
laufenden Ausgaben unentbehrliche Geld zu erlangen, ließ die Regie-
rung theils die bisherigen Steuern ohne ständische Bewilligung erheben,
theils schuf sie neue, theils machte sie verjährte und vergessene An-
sprüche der Krone wieder geltend.
So zog der König das Tonnen- und Pfund ge ld fort, machte
von dem Verkauf der Monopole einen sehr ausgedehnten, für Industrie,
Verkehr und Billigkeit nachtheiligen Gebrauch; er erpreßte von den In-
habern ehemaliger Domänen und Kirchcngüter unter dem Vorwando man-
gelhafter Besitztitel ungeheuere Summen; er ließ viele Forsten für Krongut
erklären, und belegte die Hausbesitzer, die ohne Erlaubniß neue Wohn-
häuser in der Umgegend von London erbaut, (was durch ein wenig be-
folgtes Gesetz untersagt war) mit Geldstrafen. Dabei wurden die wich-
tigsten Lebensartikel als: Licht, Wein, Salz, Seife, Leder u. a. besteuert,
und endlich ward in Folge eines alten Gesetzes zum Bari und zur Unter-
haltung der Flotten ein jährliches Schiffgeld für die königliche Kasse
eingefordert.
Während die Erhebung des Schiffgeldes allgemeines Murren er-
regte und das gerichtliche Verfahren gegen den besonnenen, charakter-
festen John Hamden, der die Steuer verweigerte, das ganze Land in
Aufregung hielt, erzeugte die Strenge, mit der man das anglicanische
Kirchenwesen fester zu begründen und den aufstrebenden Puritanis-
mus zu unterdrücken suchte, großes Aergerniß. Viele Mitglieder der
Widerstandspartei (Opposition) bekannten sich zu den demokratischen
Grundsätzen der Puritaner und Presbyterianer, und je mehr
ihr politisches Streben im Volke Anklang fand, desto größere Verbrei-
tung gewannen auch ihre religiösen Ansichten. Beiden Richtungen aber
trat Karl mit Entschiedenheit entgegen, und wie er sich bei polit.
Maßregeln von Strafford leiten ließ, so bei den kirchlichen von Bischof
Laud von London, dessen Grundsätze von dem göttlichen Rechte der
Könige und dem leidenden Gehorsam der Völker seiner herrischen Na-
tur eben so willkommen waren, wie dessen Neigung für kirchliche Cere-
monien und pomphaften Gottesdienst seiner geheimen Vorliebe für den
Katholicismus.
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Extrahierte Personennamen: John_Hamden Karl Karl Bischof
Laud_von_London
Extrahierte Ortsnamen: Irland Spanien Frankreich London Bari
Die Reformationsversuche der Oiegenten und Minister. 623
verwaltete er den Staat ganz eigenmächtig und führte viele einen neuen
Zustand begründende oder vorbereitende Reformen ein. Doch ging er dabei
mit großer Umsicht zu Werke, übereilte nichts und sing nicht mit Dingen
an, mit denen man besser endet. Seine Hauptsorge war der materiellen
Verbesserung seiner Staaten und der Vermehrung seiner Einkünfte zuge-
wendet. Zu dem Ende löste er die Fesseln des Handels n»d der Gewerbe,
ließ Kanäle graben, Flüsse schiffbar machen und die Seehäfen reinigen,
legte Fabriken an (die Berliner Porzellan - Fabrik u. a.) und berief Hand-
werker und Künstler aus dem Auslande. Ferner beförderte er den Acker-
bau, die Forstcnltur und den Bergbau und stichle die unbebauten
Gegenden seines Reiches durch Anlegung von Colonien zu cnltiviren. Doch
führte ihn mitunter sein Verbcsserungscsser auch auf Maßregeln, die seinem
Lande nicht angemessen waren, wie die Seidcnzucht in Pommern und
Brandenburg und der Wein ball bei Potsdam. Die Wuildeil, die der
7jährige Krieg geschlagen, suchte er nach Kräften z,l heilen, indem er die
hcrabgekommencn Gutsbesitzer und Fabrikanten in Schlesien lind der Mark
mit beträchtlichen Geldsummen unterstützte, ihilen auf mehre Jahre die
Steuern erließ und das Loos der Bauern erleichterte. — Mit dem Wohl-
stand der Unterthanen stiegen auch die Einküilfte des Monarchen, ans
deren Vermehrung er ungemein bedacht war. Dlirch Oekonomie in der«
Staatshaushalt, durch Verminderung der Besoldungen der höher» Staats-
dicner, durch Einfachheit der Hofhaltung wurden große Summen erspart
und durch Hebung der Gewcrbthätigkcit, des Handels und Ackerbaus ward
es ihm niöglich, die Abgaben zu erhöhen, ohne die Unterthanen zu drücken.
Erst später schritt er zil lästigen und harten Maßregeln. Dahin gehörte
vor allen die Zoll- und Accise-Administration (Regie), die Frie-
drich wahrscheinlich auf den Rath des frailz. Geilcralpächters Hclvetinö
zur Erhebung der indirekten, auf Kaffee, Tabak, Salz u. a. Artikel ge-
legten Steuern einrichtete, und die aus vier reichbesoldeten französischen
Ober-Zollbeamten und etwa 1000 Unter-Beamten derselben Nation be-
stand. Diese Zöllner suchten jeden Schleichhandel mit den besteuerten Waa-
ren (Contreband) zu verhindern und machten durch ihren Uebermuth und
ihre Brutalität die ohnehin für den Bürger und Bauer so drückende Ein-
richtung im höchsten Grade verhaßt. — Allein durch diese Zolladmi-
nistration und durch die dem Volkswohlstand gleichfalls gefährlichen
Lotterien brachte es der König dahin, daß seine Staatskasse, trotz des
großen Aufwandes für Heer- und Krigswesen und für kostspielige Gebäude
(Berliner Opernhaus, Palast in Sanssouci u. a.) stets gefüllt war und er
seinem Neffen Friedrich Wilhelm H. einen baarcn Schatz von 72 Mil-
lionen und ein trefflich gerüstetes Heer von 200,000 Mann zurücklassen
konnte. — Dem Kriegswesen, auf dem Preußens Macht vorzugsweise
beruhte, blieb Friedrichs Hauptsorge zugewendet; daher es bei Errichtung
der Berliner Ritterakadcmien und mehrer Kadettenhäuser zunächst ans Bil-
dung des jungen Adels zu Offizieren abgesehen war. — Am wenigsten
erfreute sich das Kirchen- und Schulwesen der Aufmerksamkeit des
Königs. Die Schulstellen kleiner Orte mußten ihm oft zur Versorgung
verabschiedeter Unteroffiziere dienen, indeß die höhern Anstalten häufig der
Leitung von Franzosen überlassen wurden. Was aber Religion und Kirche
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Extrahierte Personennamen: Geilcralpächters_Hclvetinö Friedrich_Wilhelm_H. Friedrich Wilhelm Friedrichs Friedrichs
790
Altdeutsche Dichtung.
Vcrraths werden die christlichen Streiter in dem Thale R oncevall e (§. 246) von einem überlege-
nen Heer der Heiden überfallen und trotz ihrer Riesenstärke und wunderähnlicheir Tapferkeit sämmtlich
erschlagen. Der Kampf und Tod der Helden , besonders Rolands und seines Freundes Olivier, sind
trefflich geschilderk. Karl, durch Rolands Horn (dessen Schall ans Tagcsweite gehört ward) zur Hülfe
herbeigerufen, zieht mit einem Heer hin und rächt den Tod der Gefallenen durch eine Schlacht, worin
die Heiden besiegt und ihre Oberhäupter getödtet werden. Mit Karls Klage und der Bestattung der
Todten, wobei allerlei Wunder geschehen, schließt das Gedicht. — Eine andere mattere Bearbeitung
der R o l a n d s l i e d e s ist die vom Stricker aus dem 13. Jahrh.
§. 8. Herzog Ernst und König Rother. Auch die deutschen Volkssa-
gen wurden von den Geistlichen mit zeitgemäßen Zusätzen erweitert und mit dem
Morgenlande in Beziehung gebracht, was man besonders an den beiden Gedichten
„Herzog Ernst" und „König Rother" bemerken kann. In dieser Gestalt
gingen sie dann in die Hände der fahrenden Sänger über, die zu einer,Zeit,
wo die Laien noch mit den Geistlichen um den Besitz der Poesie rangen, die deut-
schen Volksgesänge wieder aus der Zelle in das öffentliche Leben einführten und sie
auf den Straßen und den Burgen der Ritter vortrugen. — Aber die Einförmig-
keit des Stoffs und die Trockenheit der Behandlung machte eine neue Gattung und
ein neues Element nothwendig; dies erhielt die Dichtung in der Minne, die zu-
erst von Heinrich von Veldeke eingeführt ward, und durch welche die Poesie
den Geistlichen gänzlich entzogen und an die Burgen der Ritter und die Höfe der
Fürsten gepflanzt wurde. Denn wie sollten Kleriker, die durch den Cölibat von
dem Verkehr mit Frauen ausgeschlossen waren, sich ferner einer Dichtung widmen,
worin Frauendienst und Minne den Mittelpunkt bildeten?
Im Herzog Ernst, der im 12. Jahrh, mehrfach lateinisch und deutsch bearbeitet wurde und
in der Folge als Volkserzählung weit verbreitet blieb, werden an die Geschichte eines deutschen Rit-
ters, der bald als Konrads 11- Stiefsohn (§.268), bald als Otto's 1. Sohn auftritt, und zur Sühnung
eines an seinem Lehnsherrn begangenen Mords einen Kreuzzug unternimmt, die wunderbarsten Mähr-
chen und Abenteuer zu Wasser und Land angeknüpft. Man findet darin die Wundcrgcographie des
Alterthums, wie die Homerischen Pygmäen und Cyklopen, ein Kranichvolk u. dergl., mit den orienta-
lischen Mährchen von den Riesen Palästina'-, von einem Magnetberge, der alles Eisenwerk aus den
Schiffen zieht, von Greifen, die Menschen rauben u. a. — Auf ähnliche Weise wurde im König
Rother eine ältere Volkssage (Wilkinasage) umgearbeitet und mit Konstantinopcl und dem
Morgenlande in Verbindung gebracht. König Rother läßt um die Tochter Konstantins werben. Seine
Gesandten werden ins Gefängniß geworfen. Da erscheint er selbst unter dem Namen Dietrich in
Konstantinopel und führt die Königstochter als Braut heim, nachdem er durch sie die Befreiung seiner
gefangenen Gesandten bewirkt. Nach einiger Zeit wird die Königin von einem Spielmann entführt
und nach Konstantinopel zurückgebracht, dort aber zum zweitenmal von Rother unter harten Kämpfen
mit dem König von Babylon erworben. Aehnliche Erzählungen von Wanderzügen und Brautwerbun-
gen bilden den Inhalt mehrer anderer von Geistlichen erweiterter und veränderter Volksgedichte des
12. Jahrh. (z. B. St. O s w a l d, S a l o m o n und M o r o l f u. a.)
B. Die ritterliche Minnedichtung.
I. Blüthe -er ritterlichen (romantischen) Poesie
unter den Hohenstaufen.
1. Antike Stoffe.
tz. 9. Alexander!ied des Pfaffen Lamprecht. Ehe die Dichtung in
die Hände der Minnesänger überging, stellte der Pfaffe Lamprecht in sei-
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Olivier Karl Karl Karls Ernst Heinrich_von_Veldeke Heinrich Ernst Ernst Konrads Alexander Lamprecht